Letztes Mal haben wir Nomen (Hauptwörter) und ihre Pluralbildungen betrachtet. Um diese Hauptwörter in einem Satz verwendet werden können, müssen wir nun verstehen, wie im Sindarin die Verben (Tätigkeitswörter) angewandt werden.
Die Schreibweise ist etwas gewöhnungsbedürftig, denn am Ende des Wortes wird bei Verben ein Bindestrich geschrieben. Dies zeigt, dass es sich nur um den Wortstamm handelt und dieser noch eine jeweilige Endung erfordert. In der heutigen Lektion werden wir lediglich die Gegenwartsform betrachten, andere Zeiten werden in einer zukünftigen Lektion folgen.
Bei den Verben werden zwei Arten unterschieden:
- Schwache, bzw. abgeleitete Verben, auch A-Stämme oder A-Verben: Der Wortstamm endet auf a. Da die Verben direkt auf einen Vokal enden, können die Endungen der Formen direkt angehängt werden. Allerdings wird bei ich und du das -a zu einem -o.
- Starke, bzw. einfache Verben, auch Stammverben genannt: Stamm endet auf einen Konsonanten, meistens einsilbig. Da der Stamm auf einen Konsonanten endet, wird bei den meisten Endungen ein i zwischen Stamm und Endung eingeschoben.
Wir werden die einzelnen Fälle im Singular und Plural durchgehen und jeweils am Beispiel eines A-Verbs und eines Stammverbs zeigen, wie die Endungen und Personalpronomen (Persönliches Fürwort; ich, du, er/sie/es, …)
Dabei nehmen wir die beiden Verben:
A-Verb Stammverb
padra- gehen tol- kommen
Normalerweise werden die Personalpronomen nicht genannt, es wird lediglich die jeweilige Form des Verbs angegeben. Wird das Personalpromonem jedoch doch explizit genannt, zum Beispiel um etwas besonders zu betonen, wird die jeweils passende 3. Form des Verbs (Singular oder Plural) verwendet.
1.Person Singular (ich, in Sindarin: im)
padron ich gehe tolin ich komme Endung -n
2.Person Singular (du, in Sindarin: eg; Sie, in Sindarin: edh)
Wie im Deutschen gibt es eine gewöhnliche und eine förmliche Variante, wie das deutsche Duzen und Siezen.
padrog du gehst tolig du kommst Endung -g
padral Sie gehen tolil Sie kommen Endung -l
3.Person Singular (er/sie, in Sindarin: est; es, in Sindarin: ta)
Es gibt im Sindarin keine Geschlechterunterscheidung und es wird die Grundform des Verbs verwendet.
padra er/sie/es geht tol er/sie/es kommt Grundform
1.Person Plural (wir, in Sindarin: gen (inklusiv)oder men (exklusiv))
Im Sindarin gibt es für das wir eine exklusive und eine inklusive Form. Die inklusive Form beinhaltet den Sprecher und den Hörer und gegebenenfalls noch weitere Personen, die exklusive Form beinhaltet den Sprecher und weitere Personen, aber nicht den Hörer.
Beispiel:
Exklusive: Wir nehmen einen Podcast auf (Jannik und Marc)
Inklusive: …, dass wir gemeinsam elbisch lernen können. (Wir und ihr)
padranc wir gehen (exkl.) tolinc wir kommen (exkl.) Endung -nc
padram wir gehen (inkl.) tolim wir kommen (inkl.) Endung –m
2.Person Plural (ihr, in Sindarin: len)
Auch hier wird unterschieden zwischen der gewöhnlichen und förmlichen Variante.
padragir ihr geht toligir ihr kommt Endung -gir
padradhir Ihr geht (förmlich) tolidhir Ihr kommt (förmlich) Endung -dhir
3.Person Plural (sie, in Sindarin: ti)
padrar sie gehen tolir sie kommen Endung -r
Einige wichtige Verben zum Lernen:
dagra- kämpfen
gala- wachsen
car- tun
mad- essen
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Wieder ein paar Korrekturen:
- Wie ihr schon beim Plural kennengelernt habt verschiebt ein i alle vorangehenden Vokale (z. B. atani > edain). Das passiert in ähnlicher Form auch bei Stammverben wegen dem i als Bindevokal. hier ein Beispiel für jeden Vokal:
car- "tun": cerin, cerig, ceril, câr, cerim, cerinc, cerig(ir), ceridh(ir), cerir
ped- "sprechen": pedin, pedig, pedil, pêd, pedim, pedinc, pedig(ir), pedidh(ir), pedir
tir- "beobachten": tirin, tirig, tiril, tîr, tirim, tirinc, tirig(ir), tiridh(ir), tirir
tol- "kommen": telin, telig, telil, tôl, telim, telinc, telig(ir), telidh(ir), telir
u wird zu y, sollte aber in der Regel nicht vorkommen.
- Man kann diskutieren, welche Endungen bei abgeleiteten Verben A zu O verschieben. Tolkien lässt das oft unbeschrieben und wir müssen eine Regel aus den Beispielen ableiten. Wegen der Entwicklung ā > ǭ > o in anderen Wörtern würde ich eher folgendes Paradigma vorschlagen und zumindest auf padrol statt padral bestehen:
padron, padrog, padrol, padra, padram, padranc, padrar. Für -dhir und -gir finde ich sowohl padradhir als auch padrodhir mit verschiedenen Begründungen akzeptabel.
[Die allgemeine Regel ist, dass vor einzelnen Konsonanten o steht, sonst a. Das m kommt ursprünglich von mm, deshalb bleibt das a und das r zählt nicht so richtig als Personen-Marker]
- Man muss in der 3. Person Singular bei einsilbigen Stammverben noch ein Längenzeichen hinzufügen: tol- -> tôl, car- -> câr, aber echad- "fertigen" -> echad
- Ihr habt inklusiv und exklusiv verwechselt: telim "wir (aber nicht du) kommen", telinc "wir und du kommen"
- Tolkien hat die Pronomen im Sindarin oft überarbeitet, daraus ein konsistentes System zu formen ist nicht trivial. Ich würde folgendes empfehlen:
ni (ich) me (wir, nicht du)
inc/gwe (wir und du)
ci (du) ci (ihr, wie im Singular)
le (Sie) de (Sie, Plural)
te (er/sie/es) ti (sie)
Als Objekt wird ein n angehängt, oft stehen die Formen in ihrer weich mutierten Form. Es gibt noch besonders betonte Formen
im (tatsächlich ich)
ech (tatsächlich du/Sie/ihr)
est (tatsächlich er/sie/es/sie),
aber die würde ich eher selten benutzen.
- Galadriel heißt in etwa "Glanzgekrönte" zusammengesetzt aus galad "Glanz", rî "Krone" und und dem weiblichen Namenssuffix -iel. Dass gala- "wachsen" drinsteckt, haut nicht hin weil ihr Name im Quenya Altáriel und nicht Aláriel ist (Quenya für "wachsen" währe ala- nicht alta-), vgl. https://eldamo.org/content/words/word-757674465.html
[…] wir nun in Lektion 2 Nomen und in Lektion 3 Verben gelernt haben, können wir schon ganz einfache Sätze in Sindarin bilden. Heute behandeln […]